Hintergrund und Ziele

Im Jahr 2014 beauftragte die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen die Hochschulrektorenkonferenz, ein Projekt zur Verhandlung bundesweiter Lizenzverträge mit den größten Wissenschaftsverlagen zu initiieren. Das daraus entstandene Projekt DEAL, heute: DEAL-Konsortium, befasst sich mit der Verhandlung, dem Abschluss und der praktischen Umsetzung von transformativen deutschlandweiten Open-Access-Verträgen mit den drei größten Wissenschaftsverlagen. Ziel ist es, Wissenschaftler*innen in Deutschland das Open-Access-Publizieren zu ermöglichen und dadurch die Sichtbarkeit und Reichweite ihrer Forschungsergebnisse zu erhöhen sowie den Zugang zu noch nicht frei verfügbarer Forschungsliteratur für alle Standorte zu verbessern. Gleichzeitig sollen die Kosten des wissenschaftlichen Publizierens eingedämmt und ein zukunftsfähiges, publikationsbasiertes Vergütungsmodell etabliert werden.

Erfahren Sie mehr über die Hintergründe und Ziele von DEAL.

Das Subskriptionsmodell für Fachzeitschriften behindert die Verbreitung von Forschungsergebnissen

Jährlich veröffentlichen die Wissenschaftler*innen in Deutschland mehr als 100.000 Beiträge in Fachzeitschriften. Die Publikation von Thesen, Methoden und Ergebnissen ist ein wesentlicher Bestandteil des Forschungsprozesses, denn wissenschaftliche Erkenntnis beruht auf Austausch und Diskurs. In allen Disziplinen, insbesondere aber in den Naturwissenschaften, vertrauen Wissenschaftler*innen dabei auf Tausende meist internationale Fachjournale, die die Begutachtung, Qualitätssicherung und Veröffentlichung ihrer Arbeiten organisieren.

Obwohl es in der heutigen digitalen Umgebung möglich wäre, Wissen schnell und nahezu unbegrenzt zu verbreiten, wird der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft insgesamt ein wesentlicher Teil der Forschungsergebnisse vorenthalten und damit der Wissenschaftsbetrieb erheblich behindert. Grund hierfür ist das vorherrschende Subskriptionsgeschäft für wissenschaftliche Zeitschriften, bei dem Wissenschaftler*innen die Nutzungsrechte an ihren Arbeiten in der Regel exklusiv an Verlage übertragen, so dass diese den Zugang zu den Zeitschriften kommerziell verwerten können. Dies hat zur Folge, dass Fachzeitschriften nur von Personen gelesen und genutzt werden können, die eine Lizenz/ Subskription erworben haben oder von einer Lizenz ihrer Hochschule oder Forschungseinrichtung profitieren.

Steigende Kosten für das wissenschaftliche Publikationswesen

Der Großteil der jährlich in Deutschland und weltweit publizierten Forschungsergebnisse ist für die meisten Menschen nicht direkt zugänglich, gleichzeitig geben Hochschulen und Forschungseinrichtungen seit der Digitalisierung Jahr für Jahr immer mehr Geld für Zeitschriftenlizenzen aus, denn die oligopolistische Struktur des wissenschaftlichen Verlagsmarktes verhindert Wettbewerb und Preistransparenz.

Problematisch für die Kostenentwicklung ist auch, dass viele Verlage in den letzten Jahren eine doppelte Einnahmequelle etabliert haben: Sie verkaufen einerseits Zeitschriftenabonnements an Bibliotheken und Leser*innen, verlangen aber gleichzeitig Publikationsgebühren von den wissenschaftlichen Autor*innen, insbesondere dann, wenn diese ihre einzelnen Beiträge in einer Subskriptionszeitschrift unter eine freie Lizenz stellen und damit frei verfügbar machen wollen (sog. hybrider Open Access). Datenanalysen haben gezeigt, dass die Ausgaben für hybriden Open Access in Deutschland in der Zeit vor den DEAL-Verträgen jährlich stark gewachsen sind.

Da sich viele Einrichtungen eine adäquate Versorgung mit wichtiger Fachliteratur nicht mehr leisten können, entstehen informelle Tauschkanäle und Piraterieplattformen, die die Autorität des wissenschaftlichen Publikationssystems allmählich untergraben.

DEAL verhandelt Open Access und etabliert neue Finanzierungswege

DEAL etabliert neue Grundsätze für die Beziehung zwischen der deutschen Wissenschaftsgemeinschaft und den akademischen Verlagen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die weltweiten Ausgaben für Zeitschriftensubskriptionen mehr als ausreichend sind, um das Open-Access-Modell als Standard für wissenschaftliche Zeitschriften durchzusetzen, zielen die DEAL-Verhandlungen auf neue, transformative Vertragsmodelle, die die Subskriptionsausgaben der Bibliotheken umwidmen und für die Finanzierung von Open-Access-Publikationen einsetzen. Auf diese Weise bleiben die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft geschätzten Zeitschriften und Publikationsdienste erhalten, während die Finanzströme umstrukturiert werden, um den offenen Zugang zu Forschungsergebnissen und einen transparenteren und wettbewerbsfähigeren wissenschaftlichen Publikationsmarkt zu ermöglichen.

DEAL-Verhandlungsziele

Die strategischen Ziele der DEAL-Verhandlungen sind:

  1. Alle Wissenschaftler*innen in Deutschland erhalten die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse in den Fachzeitschriften ihrer Wahl unmittelbar unter einer freien Lizenz zu publizieren (Open Access). Dadurch sichern sie sich das Recht, ihre Arbeiten unbegrenzt zu verbreiten, so dass Fachkolleg*innen aus aller Welt die Erkenntnisse nachnutzen und darauf aufbauen können.
  2. Durch eine verbesserte Informationsversorgung erhalten möglichst alle deutschen Wissenschaftsstandorte und damit alle Forschenden, Lehrenden und Studierenden in Deutschland im gleichen Umfang dauerhaften Zugang zu qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Zeitschrifteninhalten.
  3. Diese Ziele werden durch die Etablierung eines fairen, zukunftsorientierten Preismodells erreicht, das auf dem Publikationsaufkommen der Wissenschaftseinrichtungen in den Zeitschriften der Verlage basiert. Finanzieller Ausgangspunkt des Modells sind die kollektiven Ausgaben der deutschen Wissenschaftseinrichtungen für Subskriptionen. Sie werden im Rahmen der neuen Verträge umstrukturiert.

Dieser Ansatz, der von den Mitgliedern der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland und vielen internationalen Wissenschaftsorganisationen, die sich in der Initiative OA2020 zusammengeschlossen haben, unterstützt wird, erhöht den Anteil frei verfügbarer Forschungsbeiträge aus Deutschland substanziell, ohne dass dieselben Zeitschriftenbeiträge doppelt finanziert werden müssen, und trägt damit zu einer schnellen und effizienten Umstellung subskriptionsbasierter Zeitschriftenportfolios auf Open Access bei. Damit ist diese Transitionsstrategie ein entscheidender Schritt auf dem Weg, Open Access zum Standard in der wissenschaftlichen Kommunikation zu machen, und gibt zentrale Impulse für die Weiterentwicklung einer auf Offenheit basierenden Forschungspraxis.

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Verteilung der wissenschaftlichen Artikel aus deutschen Einrichtungen über die Verlage (Corresponding Author-Publikationen zwischen 2015-18). Die von DEAL adressierten Verlage Elsevier, Springer Nature und Wiley veröffentlichen fast die Hälfte des deutschen Outputs. Gleichzeitig wenden Bibliotheken i. d. R. weit mehr als die Hälfte ihres Budgets für den Zugang zu den Zeitschriften dieser Verlage auf. Quelle: oa2020cadata (Github)

„Publish and Read“

Mit den DEAL-Verträgen entfallen für die Wissenschaftler*innen die zusätzlichen Kosten für das Open-Access-Publizieren in den Subskriptionszeitschriften der Verlage (hybrider Open Access), gleichzeitig bieten die Verträge ein erweitertes Leistungsspektrum, indem sie für alle teilnehmenden Einrichtungen die gleichen umfassenden Zugriffsrechte auf Verlagsinhalte regeln, die noch nicht Open Access verfügbar sind. Sie umfassen somit sowohl Publikations- als auch Lesedienste (Publish-and-Read).

Die Kosten der DEAL-Verträge werden dementsprechend als „Publish and Read“-Gebühr (PAR-Gebühr) ausgewiesen. Diese Gebühr fasst die Open-Access-Publikationsdienste und den umfassenden Lesezugang in einem einheitlichen Pauschalbetrag zusammen, der für jeden Zeitschriftenartikel fällig wird, den Autor*innen an deutschen Wissenschaftseinrichtungen in den Zeitschriften der Verlage veröffentlichen.

Die PAR-Fee ist eine grundlegende Neuerung gegenüber den bisher von den Leser*innen oder Bibliotheken zu tragenden Subskriptionsgebühren, die in der Regel intransparent und schwer vergleichbar waren, da sie einen direkten Zusammenhang zwischen den Leistungen der Verlage und den Kosten herstellt: eine Publikation, eine Gebühr. Damit bildet sie für die Einrichtungen des DEAL-Konsortiums eine tragfähige Brücke, um ihre bisherigen Subskriptionskosten neu zu kalkulieren und gleichzeitig Open Access zu ermöglichen.

Wissenschaftseinrichtungen stellen ihre Budgets um

Wenn die bisherigen Subskriptionsausgaben einer Hochschule oder Forschungseinrichtung in keinem direkten Verhältnis zu den aufgrund ihres Publikationsprofils zu erwartenden Kosten stehen, kann die Umstellung der Bibliotheksbudgets auf das „Publish and Read“-Modell eine Herausforderung darstellen. Auf der anderen Seite können viele Einrichtungen, die weniger forschungsstark sind und daher weniger publizieren, mit erheblichen Einsparungen rechnen. Um diese Verschiebungen im Bereich der Verlagsausgaben zu gestalten und allen Wissenschaftler*innen unabhängig von der Situation ihrer Einrichtung die Möglichkeit zu geben, ihre Forschung frei und uneingeschränkt zugänglich machen können, empfiehlt der Wissenschaftsrat den Einrichtungen, zentrale Informationsbudgets einzurichten, um Verlagsausgaben ganzheitlich betrachten zu können, und Publikationsausgaben als Teil der Forschungsausgaben dauerhaft in der Finanzplanung zu verankern.

Erste Erfolge der DEAL-Verträge

Über die DEAL-Verträge mit Wiley und Springer Nature konnten bislang jährlich tausende von Forschungsbeiträgen aus deutschen Wissenschaftseinrichtungen in den Open Access gebracht werden –mit den bekannten Vorteilen von mehr Sichtbarkeit und Reichweite– und die Akzeptanz seitens der Wissenschaftler*innen hat gezeigt, dass Open Access ihr bevorzugtes Publikationsmodell ist. Das Konsortium umfasst über 500 Einrichtungen, die mithilfe der Verträge gleichzeitig eine umfassende Informationsversorgung an ihren Standorten realisieren, was sich in einem Anstieg der Nutzung von Springer Nature- und Wiley-Zeitschrifteninhalten widerspiegelt.