Rückblick auf das DEAL Praxis-Webinar: „Alles Commons? Open-Access-Lizenzen im DEAL-Kontext verstehen, Publizierende beraten“
Das DEAL Praxis-Webinar am 25. Juni 2024 zog mit seiner Zielsetzung, ein fundiertes Verständnis für Open-Access-Lizenzen im Kontext der DEAL-Verträge zu schaffen, fast 350 angemeldete Teilnehmer*innen an, von denen bis zu 250 live im Online-Meeting dabei waren.
Das Webinar begann mit einem Expertengespräch mit Dr. Till Kreutzer, einem renommierten Rechtsanwalt und Publizisten im Bereich Urheberrecht und Open Access sowie Mitgründer und Herausgeber von iRights.info.
Einführung in Creative Commons (CC) Lizenzen
Dr. Kreutzer führte in die Grundlagen und die Bedeutung der Creative Commons (CC) Lizenzen ein. Er betonte, dass CC-Lizenzen als rechtliche Werkzeuge dienen, um urheberrechtlich geschützte Werke sicher an die Allgemeinheit zu lizenzieren, um deren Nutzung, Weitergabe und Bearbeitung zu erleichtern. Diese Lizenzen sind eine Antwort auf die restriktiven Bedingungen des traditionellen Urheberrechts und bieten eine flexible Lösung, um Werke unter bestimmten Bedingungen frei zugänglich zu machen.
Open Access und Creative Commons
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde die entscheidende Rolle von Creative Commons für Open Access und den wissenschaftlichen Fortschritt hervorgehoben. Dr. Kreutzer erläuterte, wie CC-Lizenzen eine Brücke zwischen dem Bedürfnis nach freiem Zugang zu wissenschaftlicher Information und den Beschränkungen des Urheberrechts schlagen. Besonders hervorgehoben wurde der direkte Zusammenhang zwischen CC-Lizenzen und der Berliner Erklärung zu Open Access, die seit 2003 den freien und kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen fordert.
Das Lizenzsystem von Creative Commons
Das Lizenzsystem von Creative Commons wurde als modulares System beschrieben, das aus verschiedenen Lizenztypen besteht, die unterschiedliche Grade der Nutzungserlaubnis bieten. Sie lassen sich unterscheiden in permissive Lizenzen wie CC BY, die umfassende Nutzungsmöglichkeiten unter der Bedingung der Namensnennung erlauben, und restriktive Lizenzen wie Lizenztypen mit dem Zusatz -NC (non-commercial) oder -NC-ND (non commercial, non-derivative), die die Nutzung stärker einschränken.
Problematik des Zusatzes -NC (non commercial) im DEAL-Kontext
Ein zentraler Punkt des Webinars war die Diskussion um den "non-commercial" (NC) Zusatz, der im DEAL-Kontext eine wichtige Rolle spielt. Dr. Kreutzer erklärte, dass die Wahl der NC-Option durch Wissenschaftler*innen zwar aus der Intention heraus erfolgt, einer kommerziellen Verwertung entgegenzuwirken, jedoch häufig zu unerwünschten Einschränkungen führt. Diese Wahl kann die Verbreitung und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Werke erheblich behindern, da sie Unsicherheit über die Definition kommerzieller Verwertung schafft und potenzielle Nutzer abschreckt. Besonders problematisch ist dies im Zusammenhang mit den DEAL-Verträgen, wo die NC-Lizenz, wenn sie angeboten wird, relativ häufig gewählt wird, was zur Folge hat, dass Publizierende anschließend Nutzungsrechte wieder exklusiv an die Anbieter übertragen müssen.
Fragen der Webinar Teilnehmer*innen
Im Anschluss an das Expertengespräch wurde die Fragerunde für die Teilnehmer*innen geöffnet und begann mit der Frage eines Teilnehmers, ob die von Verlagen angebotene Auswahl restriktiver Lizenzen tatsächlich Vorteile für die Autor*innen biete oder eher eine Marketingstrategie darstelle. Dr. Kreutzer vertrat die Ansicht, dass diese Praxis größtenteils als Marketing der Verlage zu verstehen sei, die traditionell Exklusivrechte beanspruchten. Er betonte, dass die Wahl einer „nicht-kommerziellen“ Lizenz den Urheber*innen kaum Kontrolle über die kommerzielle Weiterverwendung ihrer Werke lasse, da die Rechte auf die Verlage übergingen, was die vermeintlichen Vorteile solcher Lizenzen untergrabe.
Eine weitere Frage betraf die Bedeutung des Share-Alike-Zusatzes: Dr. Kreutzer stellte klar, dass der Share-Alike-Zusatz keine Veröffentlichungspflicht beinhaltet, sondern lediglich vorschreibt, dass das Werk, wenn es veröffentlicht wird, unter derselben Lizenz veröffentlicht werden muss. Er argumentierte, dass die SA-Lizenz grundsätzlich effektiver sei als eine NC-Lizenz, da sie kommerzielle Nutzer*innen nicht von vornherein ausschließe, sondern zu Verhandlungen anrege und so die gewünschte Kontrolle und den Dialog mit Nachnutzer*innen fördere.
Diskutiert wurde auch die Möglichkeit, einzelnen Inhalten eines Werkes unterschiedliche CC-Lizenztypen zuzuweisen: Bei Publikationen, die Objekte mit unterschiedlichen rechtlichen Nutzungsbedingungen enthalten, kann es durchaus sinnvoll sein, unterschiedliche CC-Lizenzen zuzuweisen, allerdings sollte Komplexität in der Lizenzierung immer möglichst vermieden werden, um Offenheit und einfache Nachnutzbarkeit zu gewährleisten.
Weitere Fragen bezogen sich darauf, ob eine CC-Lizenz im Dokument selbst angegeben werden muss oder ob ein Hinweis in den Metadaten ausreicht. Dr. Kreutzer erklärte, dass es keine konkreten Vorgaben gibt, wo die Lizenz angegeben werden muss, sie sollte jedoch für Nachnutzer*innen auffindbar sein. Er empfahl, Best Practices für die korrekte Platzierung von Lizenzhinweisen zu befolgen, um sicherzustellen, dass diese leicht auffindbar sind.
Die Rolle von CC-Lizenzen im Kontext von KI-Anwendungen: Die Frage nach der Bedeutung von CC-Lizenzen für KI-Anwendungen führte zu einer Diskussion über die Rolle von Open Access bei der Verhinderung von Monopolbildung im KI-Bereich. Dr. Kreutzer betonte, dass Open Access durch die Bereitstellung eines breiten Zugangs zu Datenbeständen für das Training von KI-Systemen dazu beiträgt, dass große Akteure keinen exklusiven Zugang zu wichtigen Inhalten haben, was einer Marktkonzentration entgegenwirkt.
CC-Lizenzen im DEAL-Kontext
Im zweiten Teil der Veranstaltung zeigte das MPDLS-Team anhand einer Präsentation die Herausforderungen und rechtlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit CC-Lizenzen im DEAL-Kontext sowie die Möglichkeiten zur nachträglichen Änderung einmal ausgewählter Lizenzen auf.
Die konkrete Auswahl der Lizenz erfolgt in der Regel während der „Author Journey“, also innerhalb des Publikationsworkflows nach der Annahme des Artikels zur Veröffentlichung („Post Acceptance“). Die Lizenz ist Bestandteil und Grundlage des Autorenvertrages ("Licence to Publish"), den Verlage mit Publizierenden abschließen.
Während Springer Nature für Open-Access-Publikationen mit wenigen Ausnahmen standardmäßig die CC-BY-Lizenz vergibt, bieten Elsevier und Wiley den Autor*innen unter Berufung auf die Wahlfreiheit der Wissenschaftler*innen eine Auswahl verschiedener Lizenztypen an. In der Praxis bedeutet dies jedoch, dass die Autor*innen nur zwischen restriktiveren Lizenzen wie NC (Non-Commercial) oder NC-ND (Non-Commercial-No Derivatives) wählen können, nicht aber zwischen Optionen wie CC-0 oder „Share Alike“. Welche Lizenztypen von den einzelnen Zeitschriften angeboten werden, ist den jeweiligen DEAL-Zeitschriftentitellisten zu entnehmen. Im Elsevier-Autorenworkflow ist immerhin „CC BY“ voreingestellt und die Autor*innen werden darauf hingewiesen, dass eine Änderung dieser Vorauswahl zu „NC-ND“ eine Rechteübertragung an den Verlag erfordert.
Wählen Autor*innen nun bei Wiley oder Elsevier Lizenztypen mit dem Non-Commercial-Zusatz, müssen sie im Rahmen der „License to Publish“ bestätigen, dass sie die Nutzungsrechte an ihren Forschungsarbeiten exklusiv an die Verlage übertragen. Bei Wiley sind dies dann nicht nur die kommerziellen Verwertungsrechte, sondern alle Nutzungsrechte, also auch die der Verbreitung und Vervielfältigung. Elsevier hat seine Praxis kürzlich dahingehend geändert, dass nur die Rechte zur kommerziellen Nutzung exklusiv übertragen werden müssen, wobei auch hier ein einfaches Recht zur kommerziellen Nutzung ausreichen würde. Die Einräumung von Exklusivrechten widerspricht dem intendierten Open-Access-Gedanken.
Für die Bibliotheken der DEAL-Einrichtungen ist es wichtig zu wissen, dass die grundsätzliche Möglichkeit zur nachträglichen Änderung der ausgewählten Lizenzen besteht, diese jedoch aktiv von den Autor*innen selbst bei Wiley und Elsevier beantragt werden muss. Wiley erlaubt Änderungen nur bis zur Veröffentlichung der Early View Version eines Artikels, während Elsevier Änderungen jederzeit zulässt, was den Publizierenden mehr Flexibilität bietet.
Es wurde ein Musteranschreiben vorgestellt, das Institutionen nutzen können, um Autor*innen über die Möglichkeit der Lizenzänderung zu informieren und sie zur Umstellung auf die CC BY-Lizenz zu ermutigen.
Abschließende Fragerunde
Die abschließende Fragerunde beleuchtete weitere Aspekte rund um die Verbreitung von Publikationen in Repositorien und Lizenzfragen:
Speicherung in Repositorien unter NC-Lizenz: Die Zulässigkeit der Speicherung und Verbreitung von Publikationen in Repositorien unter NC-Lizenz kann problematisch sein, wenn das Repositorium kommerziell genutzt wird. Dies unterstreicht die Problematik der Vergabe solcher Lizenzen.
Verbreitung auf Plattformen wie ResearchGate: Die Rechtsunsicherheit bezüglich der Nutzung und Verbreitung auf solchen Plattformen erhöht die Komplexität und steht dem Prinzip der Offenheit entgegen.